Eisenberg 01 - Eisenberg by Föhr Andreas

Eisenberg 01 - Eisenberg by Föhr Andreas

Autor:Föhr, Andreas [Föhr, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426434369
Google: lp3eCgAAQBAJ
Herausgeber: Knaur
veröffentlicht: 2016-05-24T22:00:00+00:00


Die Nacht ist sternenklar. Tagsüber hatte ein lauer Wind das Ende des Winters angekündigt. Jetzt ist es wieder kalt, und die Pfützen sind gefroren. Im Norden steht der Große Wagen mit dem Polarstern. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Ein Mann mit blauer Jacke kommt mir entgegen. Er scheint in sich gekehrt und bemerkt mich erst, als wir aneinander vorbeigehen. Für einen Moment sieht er mir ins Gesicht, lächelt flüchtig, anscheinend mit sich selbst beschäftigt, und geht weiter. Ich biege in eine Seitenstraße ein.

In der Straße Wohnblocks aus den sechziger Jahren. Vor langer Zeit zitronengelb gestrichen, jetzt undefinierbar blass und grau. Auf den Gehwegen niemand zu sehen. Nur zwei junge Männer, die vor einem Hauseingang stehen und rauchen. Irgendetwas sagt mir, dass das nicht gut ist. Seit Monaten gehe ich diesen Weg nach Hause. Nie ist etwas passiert. Und doch habe ich immer noch Angst in dieser großen Stadt. Ich senke den Blick und gehe mit hochgeschlagenem Mantelkragen an den Männern vorbei.

»Entschuldigung!«, sagte einer von ihnen. Ich zögere. Soll ich stehenbleiben? Einfach weitergehen ist unhöflich. Aber ich will nachts mit diesen Männern in kein Gespräch verwickelt werden. Sie wirken nicht freundlich. Etwas Aggressives geht von ihnen aus. Ich gehe weiter.

»Ja schau dir das an, die geht einfach weiter«, sagt der Mann, der mich angesprochen hat, zu seinem Gefährten. »He du! Hast du mich nicht gehört?«

Ich fühle es mehr, als dass ich es sehe: Die beiden Männer setzen sich in Bewegung und gehen mir hinterher. Ich sehe nach vorn. Bis zum Ende der Straße ist niemand zu sehen. Dort mündet die Straße in eine Querstraße, hinter der Querstraße beginnt ein Park. Ich gehe schneller und weiß, es hat keinen Sinn. Wo will ich eigentlich hin? Doch nicht in den Park. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich weiß nicht, wo ich hinlaufe. Nur weg von den Männern. Was wollen sie? Meine Tasche? Geld? EC-Karte? Handy? Ich sehe nicht so aus, als wäre bei mir viel zu holen. Die wollen kein Geld, wird mir klar. Die wollen mich. Mein Kopf glüht, Adrenalin schießt mir durch den Körper, mein Atem geht flach und schnell. Ich höre ihre Schritte hinter mir. Sie kommen näher. Näher. Und näher. Ich bin neunzehn, und bis jetzt ist mir nichts geschehen. Daheim im Dorf hatte ich nie Angst. In München jeden Tag. Ein halbes Jahr bin ich hier und habe Glück gehabt. Jede Glückssträhne geht zu Ende. Jetzt ist es so weit. Ich bete, dass die Männer mich wenigstens am Leben lassen – und bleibe stehen.

Auch die Männer bleiben stehen, anscheinend überrascht, dass ihr Opfer nicht mehr fliehen will. »Was hammas denn so eilig«, sagt der Wortführer.

Mein Atem geht immer noch schnell, meine rechte Hand zittert. Das macht sie immer, wenn ich aufgeregt bin. Jetzt bin ich so aufgeregt, dass ich fast nicht atmen kann. »Wollt ihr Geld?«, frage ich. Es klingt jämmerlich.

Der Wortführer sieht seinen Kumpel verwundert an. »Die hält uns für Straßenräuber!« Er lacht auf, der andere stimmt in das Lachen ein, schüttelt fassungslos den Kopf.



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